Teilnehmer eines VHS-Astronomiekurses gründeten im Mai 1992 eine astronomische Beobachtergruppe, die sich 14-täglich – bis heute – zum astronomischen Stammtisch im Lokal „Zur Sternwarte“ trifft. Anfang 1995 richteten die Amateurastronomen Rüdiger Rohrig, Detlev Niechoy und Matthias Elsen den Astronomischen Arbeitskreis an der VHS Göttingen (AAVG) ein. Und im November 1996 hoben 13 Amateurastronomen schließlich die Amateurastronomische Vereinigung e. V. (AVG) aus der Taufe. Unser Verein hat heute ca. 50 Mitglieder und richtet nach wie vor den freitäglichen Arbeitskreis an der VHS um 20:00 Uhr in der Theodor-Heuss-Str. 21 aus. Der Arbeitskreis ist öffentlich und kann von allen Interessierten besucht werden. Systematische Öffentlichkeitsarbeit, Tage der offenen Tür, Pressearbeit und Astronomiekurse von AVG-Mitgliedern bestimmen heute unsere Aktivitäten. Auch eine Vereinszeitschrift erscheint seit Gründung des Vereins 3-4 mal im Jahreslauf: Die „Nachtschicht“.
Ziel der AVG war eine Volkssternwarte für Göttingen. Anfangs dachten wir an einen Umbau des VHS-Gebäudes in der Theodor-Heuss-Str. oder die Errichtung einer Sternwarte in der Lichtenhäger Feldmark, einem dunklen Beobachtungsstandort außerhalb der Lichtglocke Göttingens. Heute – nach vielen Arbeitsstunden und Arbeitseinsätzen steht dem Verein ca. 2km östlich von Göttingen ein Observatorium mit 2,2ha Grundfläche und 4 Gebäuden, darunter ein Sonnenturm, zur Verfügung.
Die Sternwarte
Als die Universität Göttingen 2004 aus ihren alten Gebäuden in einen Neubau umzog, sind auch die Anlagen des Hainberg-Observatoriums frei geworden. Hier erstellten z. B. Otto Heckmann und Hans Haffner die „Präsepe“-Fotometrie, bis heute die genaueste Sternhaufenfotometrie auf Film. Das Astrographengebäude wurde 1929 unter Hans Kienle und Otto Heckmann 180m über der Stadt errichtet, um den optisch ungünstigen Bedingungen der historischen Gauss-Sternwarte in der Stadt zu entkommen. Heute stehen auf dem Hainbergareal ein Spektroheliographenhaus und dessen Nachfolgebau, ein Sonnenturm und noch ein Heizungsgebäude. Während der Nazi-Herrschaft in den 30-er/40-er Jahren erlebte unter Karl-Otto Kiepenheuer die Sonnenforschung einen großen Aufschwung, da ein Zusammenhang zwischen der Sonnenaktivität und Funkstörungen entdeckt wurde (Mögel-Dellinger-Effekt). Damit war die Sonnenforschung als „kriegswichtig“ eingestuft worden. In der Folge wurden in Deutschland und den im 2. Weltkrieg besetzten Gebieten Sonnenforschungsanlagen aufgebaut. Da der Göttinger Sonnenturm erst 1944/45 fertiggestellt worden war, kam er nach dem Krieg zum Einsatz und diente friedlichen Zwecken.
Nach Aufgabe der gesamten Sternwarte 2004 durch die UNI hat die AVG gegenüber dem Land Niedersachsen ein Kaufangebot abgegeben. Der Stadt Göttingen und dem Land wurde ein Konzept zum Erhalt und zur Nutzung des Observatoriums vorgelegt. Da die Stadt Göttingen beim Kauf ein Mitspracherecht hatte, bedurfte es gut 4-jähriger Verhandlungen, bis die AVG 2008 das Observatorium kaufen konnte. Dafür erhielt der Verein eine Spende von einem Göttinger Unternehmen aus der Optotechnik. Seit 2007 steht das Hainberg-Observatorium unter Denkmalschutz.
Wer sich für die Geschichte der Sonnenforschung im „Dritten Reich“ interessiert: Michael P. Seiler, „Kommandosache Sonnengott“, Verlag Harri Deutsch, 2007
Ausrüstung und Zahlen über die Sternwarte
Das mit einer 8,2m Kuppel ausgerüstete Astrographengebäude beheimatet einen 10″-Fraunhofer-Refraktor, der als Leitrohr für einen 14″-Astrographen (mit einem UV-Triplett) dient, sowie einer Schmidtkamera, zu deren Anfertigung durch die Fa. Zeiss noch Schriftverkehr mit Bernhard Schmidt erhalten ist. Fraunhofer und 14″-Astrograph haben beide als Parallelinstrument 4130mm Brennweite, die Schmidtkamera 2000mm bei 340/500mm Öffnung. Neu von uns angebaut wurde ein 80mm Zeissrefraktor mit einem Coronado-Sonnenfilter in H?. Außerdem nutzen wir für Außenbeobachtungen eine Terrasse mit ca. 64m² Fläche. Ferner haben wir Büroräumlichkeiten und einen Schulungs- und Vortragsraum für 25 Plätze im Astrographengebäude ausgebaut. Der Sonnenturm mit Spektroskopie- und Spektrographieausrüstung enthält einen Spaltspektrograph mit Auflösung besser als 0,01nm. Die Kuppel für den Coelostaten misst 5m. Nach Abzug der UNI Göttingen wurde mit Unterstützung von zwei Physikern aus der Göttinger Messtechnikindustrie die meisten optischen Komponenten neu aufgebaut.
Aktivitäten
2003 und 2005 veranstaltete die AVG in den Räume der VHS größere Astronomieausstellungen, engagierte sich mit Ständen in der Innenstadt bei der Einweihung des Göttinger Planetenweges 2003 und kooperiert mit dem Göttinger Verlag Planet Poster Editions.
In langjähriger Zusammenarbeit mit der Stadt Göttingen zeigt die AVG auf dem Göttinger Weihnachtsmarkt den Besuchern den Sternenhimmel. Vereinsmitglieder nutzen die Gelegenheit zum Astrourlaub unter dem Alpenhimmel, unternehmen Ausflüge zu anderen Vereinen, haben Bücher zum Thema Astronomie veröffentlicht oder sind an Posterveröffentlichungen beteiligt. In den Jahren 2005 bis 2007 gab der Verein den Kalender „Der Himmel über Göttingen“ mit dem Verlag „Planet Poster Editions“ heraus.
Seit Frühjahr 2006 engagiert sich die AVG – zunächst noch in Abstimmung mit dem Land Niedersachsen – auf dem Hainberg: Geländersicherung und -anbau für die Besucher, Sanierung der 8,2m-Kuppel und der Spaltschienen im Astrographengebäude, Ausbau des Spektrographen im Sonnenturm bis 2011.
Seit April 2011 trifft sich die AG Sonne jeden 1. Sonntag im Sonnenturm. In den Wintermonaten stehen vor allem Gehölzarbeiten und Frostüberwachung in den Gebäuden auf dem Plan. Die Sanierung des Spektroheliographenhauses (Dach, Korrosionsschutz, Fassadenerneuerung) wurde 2010/2011 abgeschlossen. Den Außenputz des Astrographengebäudes sanierten wir im Sommer 2010. Die Elektrik im Sonnenturm und der Aufbau einer Bibliothek sind weitere Arbeitsfelder.
Termine, Veranstaltungen
Jeden Monat veranstaltet die AVG Führungen am Observatorium zu aktuellen astronomischen Themen. In den Sommermonaten wechseln wir in den Sonnenturm und es steht Sonne-live auf dem Programm. Wir beteiligen uns am bundesweiten Astronomietag und geben mit die Zeitschrift „sternzeit“ heraus. Da wir Mitglied in der Stiftung Deutscher Denkmalschutz sind, beteiligen wir uns am Tag des offenen Denkmals im September jedes Jahres. Neben den regelmäßigen Monatsführungen werden viele Sonderführungen angefragt: Von Kindergärten, Schulen, zu Weihnachtsfeiern und Betriebsausflügen, zu Geburtstagsfeiern und zum Austausch mit anderen Vereinen. Mit dem Max-Planck-Gymnasium läuft zurzeit eine Kooperation im Astronomieunterricht. Physikstudenten bauten mit Hilfe unserer Werkstatt (Drehbank, Fräseinrichtung u. a.) ein Sonnenteleskop. Institute fragten bei uns an wegen unserer optischen Bank im Sonnenturm. 1 x jährlich bringen wir einen Flyer mit unseren Veranstaltungsterminen heraus. Alle unsere Veranstaltungen sind kostenlos und auf Spendenbasis.
Unterstützt werden wir von vielen Firmen und Instituten. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Homepage.